Die großen Fragen des LebensFrage 14: Wann ist der richtige Zeitpunkt ein Kind zu bekommen?Auszug aus dem Interview von Yvonne Weiß / Hamburger Abendblatt
28. Mai 2018, von Online-Dienste
Foto: Michael Rauhe / Hamburger Abendblatt
Soziologie-Professorin Dr. Birgit Pfau-Effinger (links) und Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Eppendorf.
Es könnte so einfach sein. Traumprinz trifft Traumprinzessin, sie verlieben sich, möchten ein gemeinsames Kind, sie wird schwanger, das Baby kommt zur Welt. Und sie leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Doch die Realität sieht oft anders aus.
Meine Oma hat noch zehn Kinder bekommen, meine Mutter drei, ich zwei. Wie haben sich die Geburtenraten in Deutschland allgemein entwickelt?
Prof. Birgit Pfau-Effinger: Bis 2013 war die Geburtenrate im europäischen Vergleich niedrig bei 1,4. Kürzlich ist sie etwas angestiegen auf 1,5, doch wenn man die endgültige Kinderzahl pro Frau im Durchschnitt betrachtet, so hat diese langfristig abgenommen und sinkt weiter. Außerdem ist der Anteil der kinderlosen Frauen gestiegen. Der liegt heute bei 20 Prozent, das ist tatsächlich ein Problem. Außerdem werden die Mütter immer älter. In den 60ern wurde eine Frau mit 25 schwanger, heute liegt der Durchschnitt bei 30 Jahren.
Welche Folgen hat das späte Kinderkriegen?
Prof. Barbara Schmalfeldt: Es gibt Untersuchungen, dass Frauen, die später Kinder bekommen, auch länger leben, weil sie biologisch etwas jünger sind und Kinder jung halten. Das klingt zunächst toll. Doch die Herausforderung ist, überhaupt noch schwanger zu werden. Wir kommen zur Welt mit einer Million Eizellen, schon zur Pubertät sind es nur noch 400.000, und die nehmen relativ schnell ab, womit die Fertilität der Frau sinkt. Ab 35 Jahren nimmt die Chance, schwanger zu werden, stark ab und wird über 40 noch mal deutlich geringer. Nur 16 Prozent der über 40-Jährigen, die schwanger werden wollen, schaffen es dann noch, also nicht einmal mehr jede Fünfte.
Bei älteren Müttern steigt auch die Zahl der Fehlgeburten und Fehlbildungen beim Kind.
Schmalfeldt: Leider ja. Ein Thema, das selten zur Sprache kommt. Deshalb lautet meine Empfehlung von frauenärztlicher Seite, möglichst bis zum Alter von 35 Jahren die Kinderwunschplanung anzugehen und das nicht so lange aufzuschieben, um sich womöglich viel Leid zu ersparen. Ich sage das meinen Patientinnen in der Sprechstunde auch so.
Fühlen wir uns durch medizinische Fortschritte wie künstliche Befruchtung oder dem Einfrieren von Eizellen unbewusst sicher?
Schmalfeldt: Es ist vor allem eine Chance. Ich behandele auch viele Frauen mit Krebserkrankungen, die eine Chemotherapie brauchen. Chemotherapien haben einen starken negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, und für diese Betroffenen sind die medizinischen Möglichkeiten eine große Hilfe. Einfach nur aus sozialen Gründen würde ich das Einfrieren der Eizellen nicht empfehlen. Es handelt sich da schon um einen großen Eingriff. Der Zyklus muss hormonell stimuliert werden, die Ärzte wollen ja so viele Eizellen wie möglich gewinnen, die müssen dann abpunktiert werden, dabei handelt es sich um einen invasiven Eingriff, das ist nicht einfach nur eine Blutabnahme. Hinzu kommt ein großer finanzieller Aufwand. Die Kosten für eine künstliche Befruchtung werden nicht mehr komplett übernommen, sondern nur noch fünf Behandlungszyklen. Ich finde das schwierig, denn das setzt die Paare zusätzlich unter Druck.
Kann man sein Alter denn irgendwie anders überlisten?
Schmalfeldt: Doch, das geht. Der Lebenswandel hat einen großen Einfluss auf die Fertilität. Raucherinnen haben es schwerer, schwanger zu werden, ebenso negativ wirken sich Alkohol und Übergewicht aus. Es liegt ein Stück weit also in meiner Hand, aber die Eizellenuhr tickt!
Pfau-Effinger: Es verhält sich übrigens auch nicht so, dass die Frauen unbedingt späte Mütter sein wollen. Wünsche und Praxis unterscheiden sich da. Das gewünschte Alter, in dem Frauen ihr erstes Kind bekommen möchten, liegt bei 27 Jahren, also fast drei Jahre vor dem Zeitpunkt, an dem die Frauen dann im Durchschnitt tatsächlich ihr erstes Kind bekommen.
Warum diese Verzögerung?
Pfau-Effinger: Das Aufschieben hat mit der verlängerten Berufsausbildung zu tun. In der Zeit, in der Frauen Kinder bekommen können, befinden sie sich in der sogenannten Rushhour ihres Lebens. Sie müssen mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen: Ihre Berufsausbildung abschließen, sich im Job etablieren und eine stabile Partnerschaft finden. Die ist in Deutschland Voraussetzung für die meisten Menschen dafür, überhaupt ein Kind zu bekommen. Allerdings zieht sich die Phase der Partnerwahl heute viel länger hin als früher.
Sollten wir das Kinderkriegen dann besser nicht mehr an die große Liebe knüpfen?
Pfau-Effinger: Für uns Deutsche soll eine Partnerschaft immer auf romantischer Liebe beruhen. Aber im anglo-amerikanischen Raum gibt es bereits Initiativen über Internetplattformen, bei denen Partner nur aus pragmatischen Gründen zusammenkommen, um gemeinsam ein Kind zu bekommen. Ich denke nicht, dass sich so eine Familienform in Deutschland durchsetzen würde, da unser Familienideal stark von der Vorstellung geprägt ist, dass ein Kind aus einer Liebesbeziehung heraus entstehen sollte. In Ostdeutschland haben die jungen Frauen oft weniger lange gewartet und haben ihre Kinder bekommen, auch wenn nicht klar war, ob die Partnerschaft ewig halten würde, in der Hinsicht waren sie auch nach der Wende noch viele Jahre lang pragmatischer als die westdeutschen Frauen.
Das vollständige Interview lesen Sie im Hamburger Abendblatt:
Interview: Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen?
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