
Die großen Fragen des LebensFrage 15: Warum leben Frauen länger als Männer?Auszug aus dem Interview von Insa Gall / Hamburger Abendblatt
4. Juni 2018, von Online-Dienste

Foto: Michael Rauhe / Hamburger Abendblatt
Prof. Dr. Klaus Mattes (l.), Bewegungswissenschaftler an der Universität Hamburg und Prof. Dr. Olaf von dem Knesebeck, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie am UKE diskutieren die Frage der unterschiedlichen Lebenserwartungen von Männern und Frauen.
Es ist ein weltweites Phänomen und schon seit Jahrhunderten zu beobachten: Frauen leben länger als Männer. Heute geborene Jungen werden, statistisch gesehen, im Durchschnitt 78 Jahre alt, Mädchen hingegen 83 Jahre. Warum das so ist und was wir aus Studien für unser eigenes Leben ableiten können, erklären Professor Olaf von dem Knesebeck, Fachmann für Medizinische Soziologie, und der Bewegungswissenschaftler Professor Klaus Mattes.
Kennt einer von Ihnen das Geheimnis eines langen Lebens?
Prof. Klaus Mattes: Das dürfte nicht ein einzelnes Geheimnis sein, sondern gleich mehrere. Ich bin überzeugt, dass eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen, wenn es um ein langes Leben geht.
Wobei Männer und Frauen ja – zumindest statistisch gesehen – auf ein unterschiedlich langes Leben hoffen dürfen. Woran liegt das?
Prof. Olaf von dem Knesebeck: Das hat einmal biologische Gründe, da sind die Frauen klar im Vorteil. Hinzu kommen aber unterschiedliche Lebensbedingungen und vor allem Verhaltensweisen. Man kann den Anteil der biologischen Faktoren sogar quantifizieren: Eine Studie hat unter anderem die Lebenserwartungen von Mönchen und Nonnen miteinander verglichen, die also zweierlei Geschlechtern angehörten, ansonsten aber in ganz ähnlichen Umständen gelebt haben. Das Ergebnis: Die durchschnittliche Lebenserwartung der Nonnen lag ein Jahr über der der Mönche. Sie hatten ja gesagt: Es sind fünf Jahre, die Frauen durchschnittlich länger leben. Die Studie hat also gezeigt, dass die biologischen Faktoren etwa ein Jahr Lebenszeit ausmachen.
Was sind das für biologische Faktoren?
Mattes: Da wird immer wieder das doppelte X-Chromosom der Frauen als Ursache genannt. Auf diesem befinden sich viele Erbanlagen und Abschriften, die für das Immunsystem wichtig sind. Ist nun ein X-Chromosom defekt, kann eine Frau dies durch das zweite, intakte X-Chromosom ausgleichen. Diese Möglichkeit haben Männer durch ihre Ausstattung mit einem X- und einem Y-Chromosom nicht.
Daneben scheinen auch Hormone eine Rolle zu spielen, oder?
Mattes: Ja, während Männer etwa vom zehnten Lebensjahr an besser mit Testosteron ausgestattet sind, also dem männlichen Geschlechtshormon, haben Frauen Östrogene. Diesem weiblichen Hormon wird eine positive Wirkung im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugeschrieben, besonders beim Schutz der Gefäßsysteme. Männer leiden relativ häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die nicht selten zum Tod führen.
Sind bei Männern und Frauen unterschiedliche Krankheiten am häufigsten für den Tod verantwortlich?
Von dem Knesebeck: Beide Geschlechtsgruppen sterben am häufigsten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in Deutschland sind das etwa 40 Prozent der Menschen. Aber es ist völlig richtig, dass das Östrogen die Frauen schützt – und sie deshalb im Schnitt zehn Jahre später als Männer zum Beispiel einen Herzinfarkt bekommen. Die zweithäufigste Todesursache sind Krebserkrankungen. Da gibt es große Unterschied zwischen den Geschlechtern. Bei Frauen spielt Brustkrebs eine große Rolle, bei Männern beispielsweise Lungen- und Prostatakrebs.
Macht das Testosteron Männer auch risikofreudiger?
Mattes: Ja, man kann sagen: Das ist ein Power-Hormon, es steigert die Risikobereitschaft. Männer haben häufiger als Frauen gefährliche Hobbys wie Klettern oder Motorradfahren. Daran sterben sie natürlich in den allermeisten Fällen nicht, aber die Todesfälle fließen eben in die Statistik mit ein. Auch steigt bei diesen Hobbys die Gefahr von Verletzungen, unter deren Spätfolgen die Männer ein Leben lang leiden. Testosteron macht Männer aggressiver, was sich im Straßenverkehr zeigt. Gerade junge Männer verunfallen häufiger tödlich.
Von dem Knesebeck: Verkehrsunfälle verlaufen bei Männern etwa dreimal so häufig tödlich wie bei Frauen.
Mattes: Junge Männer achten sehr wenig auf ihre Gesundheit, weil ihre Gesundheit ja intakt ist. Auch die Suizidrate ist bei ihnen höher.
Da sind wir ja schon bei der Lebensführung. Wie wirkt sich die auf die Lebenserwartung aus?
Von dem Knesebeck: Sehr stark. Wie gesagt: Die Lebenserwartung wird von den biologischen Faktoren, unseren Lebensbedingungen und unseren Verhaltensweisen beeinflusst – aber die Verhaltensweisen sind sehr, sehr wichtig. Männer ernähren sich tendenziell ungesünder, tun weniger für ihre Gesundheitsvorsorge, trinken im Durchschnitt größere Mengen Alkohol und rauchen mehr als Frauen. Wir haben gesagt, dass von den fünf Jahren, die Frauen länger leben als Männer, ein Jahr biologisch begründet ist. Man geht davon aus, dass von den übrigen vier Jahren Unterschied in der Lebenserwartung ein bis zwei Jahre auf das Rauchen zurückzuführen sind – im Schnitt, wohlgemerkt. Das liegt daran, dass Männer in der Vergangenheit deutlich mehr geraucht haben als Frauen. Das nähert sich jetzt zwar gerade an, aber im Moment erklärt das Rauchen noch einen beträchtlichen Teil der unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen. Alkoholkonsum kann ein Risikofaktor bei verschiedenen Krebsarten sowie in höheren Mengen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein.
Das vollständige Interview lesen Sie im Hamburger Abendblatt:
Interview: Warum leben Frauen länger als Männer?
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