Die großen Fragen des LebensFrage 18: Werden Roboter Menschen ersetzen?Auszug aus dem Interview von Insa Gall / Hamburger Abendblatt
25. Juni 2018, von Online-Dienste
Foto: Andreas Laible / Hamburger Abendblatt
Prof. Dr. Judith Simon (l.), Philosophiewissenschaftlerin im Fachbereich Informatik diskutiert mit Informatikprofessor Dr. Frank Steinicke über die Frage ob, und in welchen Bereichen, Roboter Menschen ersetzen werden.
Kaum eine Veränderung stellt uns vor so große Herausforderungen wie die digitale Revolution. Die Verunsicherung ist groß: Wie viele Jobs fallen weg? Werden Maschinen irgendwann eigenständig medizinische Operationen durchführen oder juristische Urteile fällen? Können Roboter auch Gefühle erlernen – und eines Tages sogar den Menschen ersetzen? Antworten geben die Philosophiewissenschaftlerin Prof. Judith Simon und der Informatikprofessor Frank Steinicke.
Forscher haben schon 1995 „Das Ende der Arbeit“ vorhergesagt, also die Übernahme der meisten Industriejobs durch Roboter innerhalb von zwei Jahrzehnten. Das ist nicht eingetroffen. Doch viele von uns hätten sich damals fahrerlose Autos kaum vorstellen können, wie sie heute erprobt werden. Tritt die Prognose nun mit etwas Verzögerung ein?
Prof. Dr. Frank Steinicke: Es heißt, dass in den kommenden 20 Jahren nicht nur durch Roboter, sondern insgesamt durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz bis zu 50 Prozent aller derzeit existierenden Jobs wegfallen werden. Wir werden zumindest erleben, dass sich diese Jobs massiv ändern.
Prof. Dr. Judith Simon: Mittlerweile haben die Veränderungen Arbeitsfelder erfasst, die man zunächst kaum im Blick hatte – nämlich klassische White-Collar-Berufe wie Steuerberater, Juristen oder Mediziner.
Ein Arzt, der durch künstliche Intelligenz ersetzt wird?
Simon: In der Chirurgie operieren Mensch und Roboter jetzt schon gemeinsam. Genauso wird die Diagnostik im Wege der Mustererkennung digital unterstützt. Natürlich wird der Arzt nicht vollständig ersetzt. Bei Juristen ist beispielsweise die Vertragsprüfung gut an Maschinen delegierbar. Auch in diesem Berufsspektrum werden sich die Aufgaben verschieben.
Steinicke: In der Medizin ist Digitalisierung durchaus sinnvoll. Wenn wir sehen, wie viele medizinische Erkenntnisse pro Tag generiert werden – die kann kein Arzt mehr alle lesen. In der Diagnostik wird man in vielen Fällen schon anhand der Symptome, des Allgemeinzustands und grassierender Krankheiten mithilfe von Algorithmen eingrenzen können, welche Krankheit ein Patient hat. Dann kann der Arzt seine Zeit für wirklich schwierige Fälle einsetzen.
In welchen Berufen werden Maschinen Menschen in Zukunft noch ersetzen?
Steinicke: Insbesondere da, wo wir es mit vielen Daten zu tun haben. Algorithmen und künstliche Intelligenz sind gut darin, Muster zu erkennen – eben im Steuerbereich, im juristischen Bereich, in der Medizin. Google hat kürzlich Google Duplex vorgestellt, eine Entwicklung, die eigenständig auf Befehl Restaurants oder Friseurgeschäfte anrufen kann, um einen Tisch zu reservieren oder einen Termin zu vereinbaren. Vielleicht wird man virtuelle Nachrichtensprecher entwickeln, bei denen nicht mehr unterscheidbar ist, ob es sich um echte Personen handelt oder nicht.
Lange gingen vor allem in der Industrie Jobs verloren, als Roboter mechanische Tätigkeiten etwa in der Autofertigung oder beim Flugzeugbau ersetzten. Jetzt übernehmen Computer auch das, was wir geistige Arbeit nennen?
Simon: Ja. Zunächst ging es um den Ersatz von Kraft durch Roboter – klassischerweise charakterisiert durch die drei „d“: „dull, dirty, dangerous“ – also langweilige, schmutzige und gefährliche Tätigkeiten. Zunehmend wird dies ergänzt durch „delicate and difficult“ – also präzise Aufgaben wie die des Chirurgen und eben schwierige Arbeit. Das berührt dann schon eher ein Feld, in dem Mensch und Maschine eng zusammenarbeiten müssen. Bei der künstlichen Intelligenz geht es nicht um das Handeln im physischen Raum, sondern den Ersatz bestimmter kognitiver Teilaspekte menschlicher Leistung – wie Mustererkennung, Übersetzung oder logische Prüfung. Im nächsten Schritt wird es zu einer Verschmelzung kommen von Robotern, die auch mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind. Die selbstfahrenden Autos sind dafür ein gutes Beispiel.
Kann das funktionieren ohne einen Menschen, der den Prozess steuert?
Simon: Durchaus. Aber ob das eine gute Sache ist, ist eine andere Frage. In Teilbereichen kann die künstliche Intelligenz autonom agieren, solange man ihr nicht mittels Recht oder Technik Grenzen setzt. Die neue Datenschutzverordnung garantiert deshalb das Recht, dass Prozesse nicht vollständig automatisiert sind, sondern immer noch ein Mensch dazwischengeschaltet sein muss. Nehmen Sie den Finanzmarkt: Die Algorithmen können in Sekundenbruchteilen massive Verluste oder Gewinne bewirken, ohne dass ein Mensch so schnell eingreifen könnte. Wir müssen uns fragen, ob wir dies aus einer gesellschaftlichen und rechtlichen Perspektive heraus wollen. Und wenn nicht: Wie intervenieren wir?
Viele Menschen empfinden Unbehagen angesichts dieser Entwicklung.
Simon: In unserem Alltag gehen wir bereits ständig mit Geräten um, die in beschränktem Umfang schon autonom Dinge tun. Bei einer Google-Suche gibt es ja keine Person, die die Ergebnisliste noch kuratiert, das erfolgt automatisiert. Bei solchen Datenmengen ist es gar nicht möglich, das manuell zu tun. Man muss ganz genau hinschauen, wo man automatisierte Entscheidungen möchte und wo nicht.
Wir stecken also in einem Zwiespalt – einerseits sind die Datenmengen heutzutage zu groß, als dass wir Menschen sie verarbeiten könnten, andererseits haben wir Sorge, diesen Prozess ganz an Maschinen abzugeben.
Simon: Je weitreichender eine Entscheidung ist, die ich an künstliche Intelligenz delegiere, desto größere Anforderungen werde ich an die Verstehbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Software stellen, zum Beispiel bei der Frage, welcher Straftäter Bewährungsstrafen bekommen und wer ins Gefängnis muss.
Bewährung oder Gefängnis – das klingt so, als ob auch ein Richter durch künstliche Intelligenz zu ersetzen wäre.
Simon: Prinzipiell ja, es ist nur die Frage, ob man das will. Alle regelbasierten Entscheidungen lassen sich grundsätzlich von künstlicher Intelligenz fällen, indem man das System mit allen vorherigen Urteilen und Parametern füttert und ihm aufgibt, künftig entsprechend zu entscheiden.
Das vollständige Interview lesen Sie im Hamburger Abendblatt:
Interview: Werden Menschen durch Roboter ersetzt?
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