
Die großen Fragen des LebensFrage 22: Ist Lachen eigentlich gesund?Auszug aus dem Interview von Edgar S. Hasse / Hamburger Abendblatt
24. Juli 2018, von Online-Dienste

Foto: Michael Rauhe / Hamburger Abendblatt
Lachen Sie bitte jetzt: Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Judith Ellenbürger und Psychologe Dr. Marcel Riehle
Charlie Chaplin soll einmal gesagt haben: Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag. Auch bei diesem Interview über das Lachen wurde mehrfach gelacht. Schließlich sind die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Professorin Judith Ellenbürger und der Psychologe Dr. Marcel Riehle nicht nur ausgewiesene Wissenschaftler für diese Lebensfrage, sondern auch selbst humorvolle Menschen.
Worüber haben Sie heute schon gelacht?
Judith Ellenbürger: Ich habe über mich selbst gelacht. Ich wollte für dieses Interview meine weiße Bluse anziehen und habe erst daran, dass sie mir viel zu breit war, gemerkt, dass ich aus Versehen das weiße Hemd meines Mannes eingepackt hatte.
Und Sie?
Marcel Riehle: Ich habe heute schon mehrfach gelacht. Eher aus Verzweiflung, weil einiges schiefgegangen ist.
Lachen Sie häufiger?
Ellenbürger: Ich liebe das Lachen. Und wenn ich mal einen Tag nicht so viel gelacht habe, dann schaue ich mir gern am Abend etwas an, was mich zum Lachen bringt.
Worüber lachen Sie am liebsten?
Ellenbürger: Es ist die Vielfalt, die mich begeistert: das Unerwartete, das Überraschende, das Inkongruente. Und besonders gern lache ich über Dinge, für die ich noch gar keine Erklärung habe.
Riehle: Ich kann über Dinge, über die man sich fast schon ein bisschen schämt, lachen. Etwa kleine Missgeschicke von anderen. Ansonsten habe ich einen ziemlich schwarzen Humor.
Nach Immanuel Kant ist der Mensch das Tier, das lacht.
Riehle: Da liegt Kant wohl ein bisschen daneben. Man hat bei fast allen Säugetieren finden können, dass sie lachen. Etwa bei Ratten. Wenn man Ratten am Rücken oder am Bauch kitzelt, fangen sie mit Lachlauten an. Sie kichern.
Gibt es hirnchemische Voraussetzungen für das Lachen?
Riehle: Natürlich. Es bedarf gewisser Grundvoraussetzungen, dass man lachen kann. Dazu gehört beispielsweise, dass man den Kontext der Situation verstanden hat. Lachen beschäftigt nicht nur den Körper, sondern auch einen Großteil des Gehirns.
Was ist überhaupt lachen?
Ellenbürger: Um lachen zu können, muss man Distanz aufbauen und dem Leben gleichsam wie im Spiel zuschauen. Diese Distanz braucht es, um das Komische zu entdecken. Sonst ist man zu sehr in seinen Gefühlen verstrickt.
Henri Bergson hat in seiner Schrift über das Lachen gesagt, dass das Lachen „Gleichgültigkeit“ braucht.
Ellenbürger: Er nennt das die Anästhesie des Herzens.
Riehle: Wir müssen unterscheiden zwischen Lachen als Ausdruck von humoristischem Verständnis und Lachen als psychologische Reaktion aufgrund von Stimulation wie bei Tieren. Den Menschen zeichnet Sprache aus und die Möglichkeit, Distanz aufzubauen. Das gibt ihm humoristisches Potenzial.
Wie viele Muskeln sind am Lachen beteiligt?
Ellenbürger: Ich habe von 135 Muskeln gehört, wenn man die mimische Muskulatur, die Halsmuskeln, die Rippen- wie auch die Bauchmuskulatur mit einberechnet. Nach zwei Minuten – und ich denke, das können die meisten bestätigen – bekommt man Muskelkater.
Riehle: Eine lustige Situation habe ich kürzlich in einem Seminar erlebt. Eine Studentin fand eine eigene Abkürzung für den Begriff Körperorientierte Therapie – und zwar KOT. Das war in dem Moment nicht so unmittelbar witzig. Aber der Gedanke, das wäre jetzt im Grunde genommen dumm, darüber zu lachen, hat mich dann doch lachen lassen. Das wirkte ansteckend.
Wird in Deutschland viel gelacht?
Ellenbürger: Ich habe das Gefühl, dass das regional sehr unterschiedlich ist. Im Süden wird wohl mehr gelacht. Zumindest habe ich den Eindruck, wenn ich mit dem Zug quer durch Deutschland unterwegs bin. Von Paderborn nach Kassel geht es eher unlustig zu. Aber schon ab Würzburg werden die Ansagen in den Zügen witziger. Die Leute sind offen und locker. Vielleicht liegt das daran, dass im Süden das Wetter meist besser und wärmer ist.
Und Hamburg liegt nördlich des Lach-Äquators?
Riehle: Vielleicht ist Hamburg eine besondere Enklave. Ich habe das Gefühl, dass hier viel gelacht wird. Womöglich liegt das an den vielen Zugereisten, die den Humor mit hiergebracht haben.
Ist Lachen denn nun wirklich gesund?
Ellenbürger: Der Philosoph Immanuel Kant hat das schön formuliert: Lachen befördert das Lebensgeschäft. Er hat das so begründet, dass durch den Affekt die Eingeweide und das Zwerchfell in Bewegung gebracht werden und dass auf diese Art quasi die Seele als Arzt für den Körper fungieren kann. Aus medizinischer Sicht ist es so, dass beim Lachen zum einen die Lunge verstärkt Luft aufnimmt, wodurch Sauerstoff in die roten Blutkörperchen gelangt, und zum anderen das Herz schneller schlägt, wodurch das sauerstoffreiche Blut durch den ganzen Körper transportiert wird. So werden Antikörper und Glückshormone produziert und auch der Stoffwechsel angeregt. Nach dem Lachen sinkt der Blutdruck wieder, was für Entspannung und Wohlgefühl sorgt.
Riehle: Lachen ist in der Tat auf mehreren Ebenen gesund, da es wirklich das Lebensgeschäft in uns selbst, aber vor allem auch um uns herum, also in der Gemeinschaft, befördert. Wir wissen, dass Lachen eine enorm hohe soziale Komponente hat. Der amerikanische Forscher Robert Provine hat hierzu durch Beobachtungsstudien eine interessante Zahl herausgefunden: In Gesellschaft anderer lachen wir in etwa 30-mal so häufig, als wenn wir allein sind. Dazu ist Lachen bekanntermaßen sehr ansteckend und fördert so den Gruppenzusammenhalt. Dadurch ist Lachen für uns gesund: Es hält unsere soziale Gruppe intakt. Und wenn wir in intakten sozialen Gruppen leben, werden wir deutlich älter.
Können Clowns in Krankenhäusern bei der Genesung von Patienten helfen?
Riehle: Das ist eine gute Sache, weil dadurch eine positive Emotionalität vermittelt wird. So etwas kann dem Gesundungsprozess eigentlich nicht im Wege stehen.
Ellenbürger: Das darf aber nicht heißen, dass man über Trauer und Leid einfach hinweg lacht. Humor kann das Tragen von Krankheit und Leid jedoch erleichtern.
Welchen Stellenwert hatte eigentlich das öffentliche Lachen im Mittelalter?
Ellenbürger: Im Mittelalter wurden extra Narrentage eingeführt, an denen die Spannung ab- beziehungsweise die Luft rausgelassen werden konnte. Ähnliches gilt auch heute für die Karnevalstradition.
Autoritäten und Diktatoren haben aber kein Interesse, dass gelacht wird.
Ellenbürger (lacht): Vor allem nicht über sie!
Das vollständige Interview lesen Sie im Hamburger Abendblatt:
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