Wo auch Nanoteilchen für Miniaturwunder sorgen
9. Oktober 2018, von Hendrik Tieke
Seit kurzem dringt der Mensch in ein Gebiet vor, das sich unsere Vorfahren nicht einmal vorstellen konnten: Die Welt der allerkleinsten Teilchen, die Nano-Ebene. Diese Welt ist ein Schlüssel zu einer klimafreundlicheren Gesellschaft, einem längeren Leben und einem angenehmeren Alltag. Die Nano-Forscher der Universität Hamburg wissen, wie man diesen Schlüssel nutzt. Der Chemiker Horst Weller, Sprecher des Exzellenzclusters „Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (CUI)“, ist einer von ihnen.
Nanoteilchen sind Partikel, die manchmal nur einige hundert Atome groß sind. „In ein Salzkorn passen mehr als eine Million Milliarden Nanoteilchen hinein“, erklärt Horst Weller, Universitätsprofessor und Leiter des Hamburger Fraunhofer-Zentrums für Angewandte Nanotechnologie. „Diese Teilchen können wir heutzutage mit hoher Präzision herstellen und zusammenfügen und so Stoffe und Produkte entwickeln, die noch vor kurzem undenkbar waren.“ Weller ist ein führender Kopf des Nano-Standortes Hamburg, einem der größten und produktivsten in Europa. Dieser besteht aus einem Netzwerk von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Investoren und Unternehmen, die eng zusammenarbeiten. Sein größter Akteur ist die Universität Hamburg.
Alle Bücher und Filme der Welt in einem Hosenknopf
Dort bauen Chemiker und Physiker Materialien, die superleicht und trotzdem hochbelastbar sind, weil sie eine spezielle Nanostruktur aufweisen. Damit ausgestattet könnten etwa Flugzeuge ihren Treibstoffausstoß verringern, weil sie so weniger wiegen und ihre Turbinen effizienter arbeiten würden. Physiker der Universität Hamburg entwerfen auch Datenspeicher in der Größe eines Hosenknopfes; in diesen könnte man alle Filme und Bücher der Menschheit transportieren, weil sich jedes einzelne Atom als digitale Speichereinheit nutzen lässt. Und Forscher dieser Hochschule entwickeln Displays, die Bilder und Filme in einer nie dagewesenen Brillanz und Farbechtheit darstellen. Denn spezielle Nanoteilchen machen darin das Licht von LEDs besonders farbenrein.
An der Universität Hamburg denken hunderte Wissenschaftler die Welt neu – aus der Sicht der kleinsten Teilchen. Und jedes Jahr kommen über 40 von ihnen als ausgebildete Absolventen der Nanowissenschaften auf den Arbeitsmarkt – hochqualifizierte, nachgefragte Fachkräfte für eine boomende Branche, mit Kenntnissen in allen Naturwissenschaften.
Mit Nanotechnologie gegen schwere Krankheiten
Horst Weller ist eine treibende Kraft dieser Branche. Er selber arbeitet unter anderem gerade daran, Multiple-Sklerose-Patienten eines Tages ein beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Er will der Krankheit mit einer Nano-Therapie begegnen, die er zusammen mit Ärzten des Universitätsklinikums Eppendorf und einem Hamburger Start-Up entwickelt. Dabei dienen winzige Partikel als schützende Transporter für einen empfindlichen Wirkstoff. Die Oberfläche dieser Partikel haben Weller und seine Kollegen chemisch so modifiziert, dass dort eine Art Signatur entsteht. Und die wiederum sorgt dafür, dass die Partikel mit dem Wirkstoff fast ausschließlich von bestimmten Leberzellen aufgenommen werden.
Nur dort entfaltet das nano-optimierte Medikament dann seine Wirkung und regt die Produktion spezifischer anderer Körperzellen an. Schließlich werden diese bei Multiple Sklerose-Patienten kaum noch gebildet – ein Grund für die typischen Beschwerden dieser Krankheit, also fortschreitende Muskelschwäche, Sehstörungen oder chronische Erschöpfung. „Würden die Patienten das Medikament stattdessen als herkömmliche Pille schlucken oder gespritzt bekommen, würde es gar nicht erst in die entscheidenden Leberzellen gelangen“, so Weller. „Dann wäre eine erfolgreiche Behandlung nicht möglich.“ Zwar ist das Verfahren noch in einer frühen Testphase. Doch erste Ergebnisse sind schon jetzt sehr vielversprechend.
Innovationsmotor Universität Hamburg
Auch wenn es großangelegte Nanoforschung schon seit den späten Siebziger Jahren gibt: Das Innovationspotenzial dieses Wissenschaftszweiges ist so riesig und die Bereiche, auf denen er unser Leben verbessern kann, sind so vielfältig, dass man immer noch von einer Pionierzeit sprechen kann. Und deshalb, so ist sich Horst Weller sicher, wird die Bedeutung der Universität Hamburg für die europäische Nanoforschung sogar noch größer werden, als sie es jetzt schon ist.
Denn die Naturwissenschaftler dieser Hochschule seien nicht nur bestens vernetzt und hätten bereits viele bedeutende Neuerungen im Bereich der Nanotechnologie auf den Weg gebracht. Es gebe unter ihnen auch eine zupackende, offene Mentalität. „Kein Gedanke gilt als zu abwegig, wenn an seinem Ende eine vielversprechende Erkenntnis steht“, sagt Weller. „Außerdem bemüht sich die Universität sehr, nur die besten Wissenschaftler für Forschung und Lehre zu gewinnen. Diese Einstellung ist das beste Rezept, um auch in Zukunft zur Spitze Europas zu gehören.“
Weitere Informationen
- Von der Beobachtung kleinster Teilchen bis zur Entwicklung zukunftsweisender Technologien – einen Überblick über die Nanoforschung an der Universität Hamburg und ihr Partner-Netzwerk gibt es hier.
- Vom Autoreifen über Krebstherapien bis zur Badezimmerfliese – wo Nanotechnologie bereits jetzt ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist wo sie in Zukunft eingesetzt werden kann, zeigt die Ausstellung „Nanotechnologie – Aufbruch in neue Welten“ der Universität Hamburg.
- Weil diese Hochschule hervorragende Arbeit im Bereich der Nanoforschung und auf verwandten Wissensgebieten leistet, fördern sie Bund und Länder – bis Ende 2018 mit dem Exzellenzcluster „Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (CUI)“, danach mit dem Exzellenzcluster „„Advanced Imaging of Matter: Structure, Dynamics and Control on the Atomic Scale“. In diesen Forschungsprogrammen analysieren Wissenschaftler aus der ganzen Welt die grundlegenden chemischen und physikalischen Prozesse, die sich auf der Ebene der kleinsten Teilchen und Atome abspielen.
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Prof. Dr. Horst Weller
Universität Hamburg - Fachbereich Chemie - Institut für Physikalische Chemie
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