
Die großen Fragen des LebensFrage 62: Wie finde ich den richtigen Partner?Auszug aus dem Interview im Hamburger Abendblatt
7. Mai 2019, von Online-Dienste

Foto: Michael Rauhe / Hamburger Abendblatt
Soziologin Luise Heinz und Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts und Poliklinik Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am UKE
Sex spielt gar keine so große Rolle für eine glückliche Beziehung, eine ähnliche Hautfarbe allerdings schon, und der Spruch „Gegensätze ziehen sich an“ trifft aus soziologischer Sicht überhaupt nicht zu. Weitere ungewöhnliche Erkenntnisse und Tipps für die Partnersuche verraten Luise Heinz und Prof. Dr. Peer Briken von der Universität Hamburg.
Wann haben Sie sich zum letzten Mal so richtig verliebt?
Luise Heinz: Oha, das ist schon etwas her.
Wie häufig verliebt sich ein Mensch im Durchschnitt?
Heinz: Im Schnitt hat der Mensch zwei bis drei Partner im Leben, aber verlieben wird er sich sehr wahrscheinlich häufiger.
Dr. Peer Briken: Hinsichtlich der Partnerschaften hat sich das stark geändert. Mit steigender Lebenserwartung haben wir im Laufe des Lebens mehr Partnerschaften als die früheren Generationen, die Bereitschaft, sich illusionär lebenslang auf Partnerschaften einzulassen und auch Zeiten zu durchleben, die unangenehm sind, die ist geringer geworden.
Stellt das Verlieben die Grundlage für das Finden des richtigen Partners da, oder braucht es keine romantischen Gefühle, um den Richtigen an seiner Seite zu wissen?
Heinz: Das Verlieben ist schon der nächste Schritt, die Minimalstandards setzen früher an. Wir suchen denjenigen, der uns sehr ähnlich ist. Wir suchen eine Person ähnlichen Alters, ähnlichen Aussehens (das betrifft zum Beispiel auch den BMI), mit ähnlichem Einkommen, Bildungsgrad und Biografie. Personen mit Kindern suchen beispielsweise eine Person mit Kindern und vermeiden das Gegenteil, Kinderlose vermeiden dieselben. Eine geschiedene Frau sucht eher einen geschiedenen Mann und andersherum.
Der Spruch „Gegensätze ziehen sich an“ stimmt also gar nicht.
Heinz: Aus Sicht der Soziologie nicht.
Briken: Bei bestimmten biologischen Parametern sind Gegensätze wahrscheinlich wichtig, weil sich daraus ein evolutionärer Vorteil ergibt. Es macht beispielsweise Sinn, nicht für ähnliche Krankheiten anfällig zu sein.
Heinz: Empirische Studien zeigen jedoch auch: Menschen neigen extrem dazu, innerhalb der eigenen Ethnie zu suchen. Sie sortieren z. B. nach dem Merkmal Hautfarbe vor. Dabei spielt wahrscheinlich auch hier die Erwartung eines ähnlichen Erfahrungshintergrunds eine Rolle: ähnliche Hautfarbe gleich ähnliche Region gleich ähnliche Religion. Die meisten Paare sind entsprechend auch in heterogenen Gesellschaften sehr homogen.
Briken: Noch mal zurück zur Frage, ob Verliebtheit eine Grundlage darstellt: Ja, durchaus. Zumindest aus den Erfahrungen, die wir in der Praxis machen. Verliebtheit finden alle zunächst sehr wichtig, sie ist jedoch nur von relativ kurzer Dauer, so sechs Monate bis zwei Jahre vielleicht. Dann entwickelt sich manchmal was, das viele von uns als Liebe bezeichnen. Oder etwas anderes, das die Beziehung zusammenhält, was aber nicht unbedingt Liebe sein muss.
Wie nennen Sie das dann?
Heinz: Kinder. (beide lachen)
Briken: Zum Beispiel. Kinder stellen eher einen Grund dar als ökonomische Abhängigkeiten, die gibt es heute seltener.
Wo lernen sich Paare heutzutage kennen?
Heinz: Mehr als die Hälfte der Singles setzt inzwischen auf das Internet. Das ist lange nicht mehr so schambehaftet, wie es noch vor 15 bis 20 Jahren war.
Gibt es Merkmale, auf die besonders Wert gelegt wird?
Heinz: Interessant ist die Einschätzung von Attraktivität. Männer unabhängig welchen Alters schätzen Frauen um die 20 als am attraktivsten ein. Bei Frauen wächst das Empfinden mit dem eigenen Alter: Frauen um die 20 bewerten also Männer um die 20 mit der höchsten Attraktivität, Frauen um die 40 Männer um die 40. Das widerspricht sich also. Da passen Männer und Frauen eigentlich nicht zusammen, finden sich dann aber trotzdem.
Wann entscheidet sich, ob aus einer Begegnung zweier Menschen eine längere oder gar eine lebenslange Beziehung wird?
Heinz: Die Romantiker sagen, schon im ersten Augenblick. Andere mutmaßen, in der ersten Liebesnacht. Der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann behauptet jedoch, am Morgen danach. Er hat viele Paare interviewt und festgestellt, dass erst am Morgen die Eigenheiten der anderen Personen wortwörtlich zutage treten. Wenn es dort nichts gibt, was einen am anderen stört, dann habe die Paare gute Chancen.
Briken: Das erlaubt aber nur eine Vorhersagekraft von einigen Monaten. Ob eine Beziehung viele Jahre bestehen kann, das entscheidet sich nicht an dem einen Morgen nach dem ersten Mal. In dem Prozess des gemeinsamen Wachsens muss man sich ständig neu erfinden und sich dabei gleichzeitig nicht verlieren. Das ist in einer anspruchsvollen Welt, in der alle immer alles machen sollen und wollen, ein schwieriges Unterfangen. Nehmen wir ein Paar mit Kindern, wo beide arbeiten, was da für Anforderungen auf das Paar zukommen.
Welche Rolle spielt Sexualität in Partnerschaften, muss es auch im Bett klappen, damit er oder sie als die oder der Richtige gelten darf?
Briken: Nein, muss es nicht. Es gibt Paarkonstellationen, in denen Sexualität gar keine Rolle spielt, das aber für beide in Ordnung ist. Da würde ich als Therapeut nie argumentieren, dass Sex sein muss. Für viele Paare ist sexueller Kontakt aber wichtig. Da wird vieles ausgehandelt, was über die Lust hinausgeht. Bindung herstellen, etwas erreichen wollen von oder mit dem beziehungsweise der anderen.
Wie verändert sich das über die Zeit?
Briken: Das Alter spielt eine große Rolle, die sexuellen Funktionen und das Lustempfinden verändern sich mit den Jahren, doch wenn Paare im Alter neu zusammenkommen, sind sie ähnlich sexuell aktiv wie junge Paare. Die schlafen zwei- bis dreimal pro Woche miteinander, wer länger als drei Jahre zusammen ist, ungefähr noch einmal pro Woche oder alle zwei Wochen. Wenn Kinder kommen, gibt das oft einen großen Einschnitt. Der Körper, die fehlende Zeit, der Stress. Manche entscheiden sich daraufhin für eine Therapie. Paartherapeuten sind aber keine Liebeskitt-Maschinen. Wir schauen mit den Paaren, ob und wie und wo es sich lohnen könnte, neue Erfahrungen zu machen, wenn das gemeinsam noch geht. Doch es kann bei einer Therapie auch herauskommen, dass ein Paar aus Gründen zusammengekommen ist, die inzwischen nicht mehr bestehen, dass es nichts zu teilen mehr gibt, und dann kann das Paar, darf es sich natürlich auch trennen. Das würde ich dann nicht als erfolglose Therapie bezeichnen, es kann für beide sehr befreiend sein, sich lösen zu dürfen.
Frau Heinz, Sie sagen, Liebe muss erlernt werden, aber es handelt sich dabei doch um keine Sportart?
Heinz: Für viele Soziologen ist Liebe anders als im Allgemeinverständnis erst mal kein Gefühl, sondern eine Ausdrucksform. Gefühle sind für einen Forscher schwer einsehbar, aber wir können Muster beobachten, Kommunikationen, die mit Aufmerksamkeit zu tun haben. Entscheidungen und Handlungen werden mit dem anderen abgestimmt, man integriert sich in die Welt des anderen. Man nimmt die mögliche Begehrensstruktur des anderen vorweg, wenn man ihm beispielsweise ungefragt seinen Lieblingswein mitbringt. Das ist - da es ja bei Weitem nicht nur den Wein betrifft - kognitiv sehr anstrengend!
Briken: Mich empathisch auf jemanden einzustellen, mich in die andere Person einzufühlen oder einzudenken, das beginnt mit dem Lesen in den Augen des oder der anderen und endet mit der Entscheidung, die Zahnpastatube einfach zu schließen, die mein Partner/ meine Partnerin wieder offen hat liegen gelassen, oder mich anstatt dessen dazu zu entschließen, ihn beziehungsweise sie dafür genervt anzufahren.
Was empfiehlt der Paartherapeut in solchen Momenten?
Briken: Bevor man in den Konflikt geht: Erst mal hinschauen, ob wir es uns wirklich leichter machen oder unsere Beziehung verkomplizieren. Nicht nur uns, auch dem Partner oder der Partnerin sollten wir das Leben einfacher machen.
Heinz: Beim Zusammenziehen gibt es ja typische Szenen, in denen Erfahrungswelten aufeinanderprallen. Der eine wäscht Wäsche bei 30 Grad, der andere findet, es müssen mindestens 60 sein. Oft sind solche Beispiele banal, man erkennt daran aber die Kompromissfähigkeit, ohne die keine Beziehung funktionieren wird.
Briken: Und so banal ist das alles gar nicht. Über Rotwein oder eine Zahnpastatube kann sehr viel ausgehandelt werden. Wenn Sie die verschiedenen sozialen Gruppen untersuchen, kommen Sie bis in die tiefsten individuellen und gesellschaftlichen biografischen Aspekte einer Person, da ist manchmal teilweise ein Konfliktpotenzial verankert, das mit dem Partner an sich kaum etwas oder gar nichts zu tun hat, das in solchen Momenten aber ausbricht. Wie viel Selbstbestätigung brauche ich? Wie viel Anerkennung brauche ich von dem anderen? Wie viel Kontrolle will ich über den anderen ausüben? Das muss nicht jeder verstehen wollen, es kann aber hilfreich sein, um wiederkehrende Konflikte zu vermeiden. Durch die moderne Art des Zusammenlebens, bei der beide Partner gleichberechtigt sind, wird das Zusammensein komplex und immer wieder auf den Kopf gestellt, zum Beispiel wenn das erste Kind kommt. Die Frauen sind immer wieder im Nachteil, denn sie machen oft mehr mit dem Kind und mehr bei der Arbeit, da funktionieren Aushandlungsprozesse nicht so wie zuvor.
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