Wo Roboter mehr Tore als Profifußballer schießen
9. Oktober 2018, von Hendrik Tieke
Informatikstudierende der Universität Hamburg entwickeln Roboter, die auf der ganzen Welt bei Fußball-Turnieren antreten. Ihr Hobby ist gleichzeitig eine Feldstudie, die schon seit Jahren andauert – und die dazu beiträgt, dass die mechanischen Helfer immer menschenähnlicher werden.
Anpfiff. Amy steht am Innenkreis. Die Schultern eckig wie die eines Football-Spielers, der Kopf klein wie der einer Action Figur. Amy tippelt nach links, tippelt nach rechts. Dann wackelt sie los. Nimmt Zentimeter für Zentimeter – bis sie vor ihm steht: dem Ball, der etwas größer als eine Apfelsine ist. Sie setzt mit ihrem kantigen Bein zum Schuss an, trifft ihn knapp unter seiner Mitte. Er kullert davon, vorbei an Amys Gegner. Der kann nicht mehr stoppen, wirft Amy um. Doch sie richtet sich mit einer umgekehrten Kniebeuge wieder auf. Und läuft wieder auf den Ball zu, mit der Hartnäckigkeit eines Uhrwerks. Immer wieder kickt sie ihn, bis sie ihn schließlich ins Tor schießt.
Extremer Anspruch an Wahrnehmung und Beweglichkeit
Amy ist ein Fußballroboter, so groß wie ein Kleinkind. Sie spielt in der Humanoid-Klasse gegen andere Roboter aus Deutschland und der ganzen Welt. Ihre Mannschaft sind die Hamburg Bit-Bots, das RoboCup-Team der Universität Hamburg, das es seit 2011 gibt. Beim RoboCup lassen die besten studentischen Roboterentwickler ihre Modelle gegeneinander antreten – in nationalen Ligen und bei Weltmeisterschaften, wie etwa 2018 in Montreal. Die Mitglieder der Hamburg Bit-Bots sind Studierende des Fachbereichs Informatik. In dessen weitläufigem Untergeschoss bauen sie ihre mechanischen Fußballer zusammen, verbessern deren künstliche Intelligenz oder entwerfen laufoptimierte Füße für den 3D-Druck. Und auf einem eigenen Spielfeld, das dem von Wettkämpfen nachempfunden ist, testen sie Passspiel, Laufverhalten oder Spielübersicht von Amy und ihren Mannschaftskollegen.
„Fußball ist ein extrem anspruchsvoller Sport“, erklärt Judith Hartfill, die seit 2013 Mitglied der Bit-Bots ist. „Sprints, ständige Positionswechsel, harter Köperkontakt und ein Feld von Mitspielern, das sich dauernd umstellt und neue Laufwege verlangt – nur wenige andere Sportarten stellen derart komplexe Anforderungen an die Wahrnehmung und Beweglichkeit. Wer es also schafft, Roboter zu immer besseren Fußballern zu machen, der macht sie motorisch und sensorisch gesehen immer menschenähnlicher.“
Vom Fußball in den Alltag
RoboCup ist viel mehr als nur ein Spiel. Es ist ein wissenschaftlicher Langzeit-Versuch, der die gesamte Roboterforschung Jahr für Jahr ein Stück voranbringt. Denn viele der Fähigkeiten eines Fußballroboters lassen sich auch auf Modelle übertragen, die anderswo im Einsatz sind: „Wenn wir einem Roboter beibringen, sich auf einem Spielfeld zurechtzufinden und dabei einen Ball von einem Tor und anderen Robotern zu unterscheiden, dann kann das auch Firmen nützen, die zum Beispiel selbstfahrende Paketwagen herstellen. Denn die sind auf Bürgersteigen unterwegs, bei denen sie um Passanten herumfahren oder Ausfahrten erkennen müssen“, weiß Judith Hartfill.
„Und weil Spieler wie Amy in ihren Bewegungsabläufen Menschen nachempfunden sind, können die Erkenntnisse aus dem RoboCup auch dort weiterhelfen, wo bei Robotern in Zukunft menschliches Körpergeschick gefragt sein wird: etwa als Unterstützer von Rettungsteams, die Verunglückte in unwegsamem Gelände bergen oder als Helfer bei rückenschädigender Pflegearbeit, bei der Patienten umgebettet oder fürs Waschen stabilisiert werden müssen.“
Turniere, die zur Innovation zwingen
Das RoboCup Format zwingt seine Teilnehmer regelrecht zur Innovation. Denn jedes Jahr ändern sich die Rahmenbedingungen ein wenig: Das Feld wird etwas größer, die maximal erlaubte Spielerzahl erhöht sich, das Tor wird breiter oder die Regeln für Fouls werden strenger – alles Faktoren, an die man die Roboter anpassen muss. „Das langfristige Ziel ist, spätestens in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts ein Turnier auszurichten, das sich nicht mehr von einer FIFA-Weltmeisterschaft unterscheidet“, sagt Hartfill. „Im Idealfall können Roboter dann genauso filigran und intelligent wie Menschen Fußball spielen.“
Roboter entwickeln und mit ihnen auf Turniere fahren – all das machen Hartfill und die anderen Bit-Bots in ihrer Freizeit, zusätzlich zu ihrem Studium. Die Universität Hamburg fördert ihre Arbeit – finanziell, indem sie ihnen Räume stellt, und manchmal auch durch professionelle Unterstützung: „Am Fachbereich Informatik sind die Dienstwege sehr kurz und die Wissenschaftler immer hilfsbereit, wenn wir mal nicht weiterkommen,“ erklärt Judith Hartfill.
Wobei die Bit-Bots tatsächlich gar nicht so viel Hilfe benötigen, wie die Studentin erklärt: „Die Universität Hamburg vermittelt viel Fachwissen, das wir im Roboter-Fußball anwenden können. Und wir lernen dort, wie wir selber Lösungen finden, wenn zum Beispiel eine Programmierung noch nicht richtig funktioniert oder die Bilderkennung einer Kamera nicht optimal arbeitet. Solche Fähigkeiten nützen uns nicht nur, wenn wir unsere Roboter optimieren. Sie sind auch eine richtig gute Vorbereitung für das Berufsleben. Denn die IT-Branche wandelt sich ja besonders schnell, stellt ständig neue Anforderungen an Informatiker – so, wie der RoboCup es ja auch tut.“
Der Fachbereich Informatik und die Hamburg Bit-Bots
Der Fachbereich Informatik der Universität Hamburg ist einer der bedeutendsten deutschen Akteure in der Entwicklung von Robotern und künstlicher Intelligenz.
- Hier finden Sie einen Überblick über seine Forschungsschwerpunkte.
- Hier lernen Sie seine „Roboterschule“ kennen, in der seine Forscher und Studierenden den mechanischen Helfern beibringen, sich wie Menschen zu verhalten.
- In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt erfahren Sie von zwei Professoren des Fachbereichs, wo Roboter in Zukunft überall zum Einsatz kommen werden.
Die Hamburg-Bit-Bots sind das RoboCup-Team des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg.
- Auf ihrer Website können Sie sich Turnierberichte, Fotos und Videos ansehen und auch die wissenschaftlichen Aufsätze herunterladen, in denen die Studierenden ihre Erkenntnisse in der Roboterforschung veröffentlicht haben.
- Auf dem Youtube-Kanal der Bit-Bots können Sie Amy und ihre Mannschaftskollegen im Einsatz sehen.
Downloads
Hier können Sie alle Plakate der Kampagne als PDF herunterladen:
Kontakt
Hamburg Bit-Bots – RoboCup AG
Universität Hamburg - Fachbereich Informatik
Vogt-Kölln-Straße 30, Haus F
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Tel.: +49 40 42883-2547
E-Mail: info"AT"bit-bots.de
https://robocup.informatik.uni-hamburg.de/